Biografie
Aphorismen zu meinem Schaffensprozess
Dürer hat in seinem Bild „Das große Rasenstück“(1503) ein Teil der Erde, gewordene Schöpfung, nachgebildet. In unserer Zeit drängt es mich, im Gestalten der werdenden, bildenden Kräfte zum Prozessualen vorzudringen. Das bedeutet, aus der räumlichen Erfahrung in die zeitliche Sphäre vorzudringen.
Meine bis zum Nonfigurativen gelangenden Arbeiten entsprossen nicht der Willkür oder gänzlich dem Zufall – ihnen liegen konkrete Naturwahrnehmungen – etwa das Dämmerlicht, Formen und Strukturen des Mineralischen und Pflanzlichen, Erdgeruch, aufsteigende Feuchte, Klänge des Wassers, Stille, Windbewegung usw., zugrunde.
Diese Wahrnehmungen sind nicht nur optischer Art. Die gleichzeitige Verarbeitung verschiedener Sinneswahrnehmungen - kurz Synästhesie (griechisch synaisthesis – „Mitempfindung“) - führt zu dem Bestreben einer umfassenderen, ganzheitlichen Bildgestaltung, die eine Sensibilisierung der Sinne durch den Künstler voraussetzt.
Natur – leben fordert mich heraus, das Naturleben mit – zu – erleben im Sinne des freien Schöpfens. Dieses Mit – leben verlangt ein neues Sensorium für das Erfassen bildender Kräfte in der Natur und im Kunstwerk. Die Fähigkeit diese Mitempfindens –ist auch eine ökologische Grundforderung, d.h., den eigenen Lebensinn auszudehnen auf das Leben der Naturzusammenhänge.
Aus dem Hintergrund des Naturerlebens wachsen im Malprozess Farben und Formen zu neuer Schöpfung heraus. Ein Prozess größter, jeden Vorgang aufmerksam begleitender Wachheit – aber eine Bildfindung ohne vorgewusste Absicht. Technisch schließt dieser Vorgang den Zu – fall im Sinne des inspirierenden „ Zu – fallens “ mit ein. Ein evokativer Prozess, an dessem Ende das Bild gefunden wird.
Im Schaffen beginnt das Bild äußerer Wahrnehmung zu verdämmern. Immer sollte das innere Bild hervortreten. Das Wort des deutschen Dichters der Romantik: „Wir sind auf einer
Mission – zur Bildung der Erde sind wir berufen“
(Novalis) ruft die zweite Schöpfung durch den Menschen auf.
Zugleich ist ein von innen gebildetes Werk nicht nur ein optisches Phänomen. In ihm können synästhetische Schichten erlebbar werden. So können Farbe und Form zu Klang werden, wie dies auch in dem Wortspiel „Farbklang – Klangfarbe“ zum Ausdruck kommt. Die in der Natur verborgene Musik kann im Bild zum Klang werden. Das Werk des Künstlers kann die verzauberten Naturklänge erlösen, indem Harmonie, Rhythmus und Gebärde in Farbe und Form “musizieren“. Zugleich ver - dichtet das Kunstwerk eine Summe von Einzeleindrücken. Es kann sich somit auch zur Poesie aufschwingen.
Ein solcher durch die Kunst erweiterter Wahrnehmungskomplex kann rückwirkend den Zugang zur Natur reicher, vertiefter und verantwortlicher gestalten.
Andreas Albert, Dresden 2011